DER ZINS UND SEINE FOLGEN
In Anlehnung an meinen Artikel "Das neue Bewußtsein" soll hier das Zins- und Mietsystem, unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem also, etwas näher betrachtet werden.
Ich nehme als Grundvoraussetzung für eine gerechte Wirtschaftsordnung an, daß das Einkommen des Einzelnen von dessen Arbeitsleistung oder zumindest von dessen Tüchtigkeit abhängig sein soll. Das wird zwar zu unterschiedlichen Einkommen führen, je nach Begabung und Fleiß der Person, aber es wird nicht in eine ungerechtfertigte und überproporzionale Anhäufung von Kapital und damit Macht ausarten.
Das Tauschprinzip ist eines der grundlegenden Gesetze menschlichen Zusammenlebens. Es besagt, dass Einnahmen und
Ausgaben oder in anderen Worten Arbeitsleistung und Entgelt, sich
in etwa die Waage halten m�ssen. Es sollte also weder jemand ein
Einkommen erhalten, f�r das er nichts zu tun braucht, noch sollte jemandem auch nur ein Teil seines wohlverdienten Entgelts vorenthalten werden.
Uns allen ist aber bekannt, da� das gegenw�rtige (kapitalistische) System dazu f�hrt, einigen wenigen zu immer gr��erem Reichtum zu verhelfen, f�r den die anderen, ob sie nun wollen oder nicht, zu arbeiten haben.
Der Zinsmechanismus
Der Mechanismus, der dies bewirkt, ist genial und einfach. Es ist
der Mechanismus von Zins und Zinseszins. Der Zins, und insbesondere die allj�hrliche Verzinsung von Kapital und
angeh�uftem Zins, f�hrt zu einem exponentiellen Wachstum der
gro�en Verm�gen, ohne da� hierzu eine direkte Arbeitsleistung
erbracht werden m��te. Der Wettbewerb wird hierdurch
verf�lscht, das Tauschprinzip verletzt.
Um sich die v�llige Absurdit�t dieses Mechanismus vor Augen zu
f�hren, gen�gt es, sich vorzustellen, da� f�r einen Pfennig, der zur Zeit Christi Geburt angelegt und mit nur 4 % Zinsen j�hrlich verzinst wird, alle Reicht�mer der Erde nicht mehr gen�gen w�rden, ihn heute verzinst zur�ckzuzahlen. Selbst wenn wir annehmen w�rden, da� wir �ber einen soliden Brocken Gold von der Gr��e der Erde verf�gten, w�re dies noch nicht genug, den Pfennig mit all seinen Zinsen zur�ckzuzahlen!
Wenn der Zins auch ohne direkte Arbeitsleistung auskommt, mu� er doch von jemand erarbeitet werden. Die Arbeitsleistung, die den
Zins bezahlt, wird von dem Teil (mehr als 95 %) der Bev�lkerung
erbracht, der in der einen oder anderen Form sein Einkommen
erwirbt, ohne "Kapitalist" zu sein, ohne also vom reinen Zinsertrag zu leben.
Dies ist zwar nicht ganz offensichtlich, denn der Zins ist in allen normalen Preisen schon mit einkalkuliert, es ist aber darum um so heimt�ckischer. Wir sehen den versteckten Zinsanteil nicht und k�nnen uns deshalb auch nicht dagegen wehren.
Der Zinsanteil in den Preisen variiert zwischen 30 und 70 % und ist dadurch bedingt, da� die Hersteller, Baufirmen, H�ndler usw das von ihnen zur Herstellung der Waren, zum Bau der Wohnungen und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderliche Kapital bedienen, also verzinsen m�ssen. Bei Wohnungsmieten ist der Zinsanteil besonders hoch, weil das Kapital auf sehr lange Zeit mit Hypothekenzinsen belastet ist. 70 % und mehr der Miete sind nicht Baukosten, sondern Zinsen.
Auch der Arbeitslohn wird nat�rlich um einen Zinsanteil geschm�lert. So bezahlt der arbeitende Mensch zweimal an den
Kapitalisten: einmal durch einen geschm�lerten Arbeitslohn und
zum anderen durch hohe Mieten und Preise.
Auf den Staatshaushalt �bertragen, wird dies noch offensichtlicher, denn etwa 30 bis 40 % eines jeden normalen Staatshaushaltes werden dazu verwendet, die Staatsverschuldung zu verzinsen. Diese Zinsen gehen an die Banken und an diejenigen Personen und Gesellschaften, die dem Staat auf Pfandbriefe, Anleihen und sonstige Schuldverschreibungen Geld geliehen haben.
Es w�re interessant, bei den n�chsten Haushaltsdebatten einmal
darauf zu achten, wieviele Milliarden DM der Staat f�r die
Verzinsung der Schulden auszugeben hat. Nat�rlich sind diese
Staatsausgaben die Ausgaben unser aller, da das Einkommen des
Staates aus den Steuern besteht, die wir zu entrichten haben.
Ich m�chte hier gar nicht auf die L�nder der sogenannten dritten Welt eingehen, deren Zinslasten sich zu wahren Alptr�umen ausgewachsen haben. Sie verwenden durchgehend einen Gro�teil ihrer Exporterl�se zur Bezahlung der Wucherzinsen, ohne jedoch die realistische M�glichkeit zu haben, die Schulden jemals abzuzahlen. Im Ganzen gesehen, saugen die Industriel�nder oder vielmehr ihre Banken und die hinter diesen stehenden Kapitalinteressen mehr Geld und Waren aus den Entwicklungsl�ndern, als j�hrlich dorthin zur�ckgelangen - trotz Entwicklungshilfe!
Das kapitalistische System
Die Wertpapierb�rsen hatten urspr�nglich den Zweck, Kapital
f�r Unternehmen bereitzustellen, die durch Aktien oder festverzinsliche Anleihen eine R�ckzahlung und eine Verzinsung
dieses Kapitals versprachen. Die B�rsen sind jedoch heute weitgehend dem Spekulationsgeist erlegen. Man spekuliert mit
"Futures", also zuk�nftigen Warenpreisen, mit dem Auf und Ab der
Devisen, man kauft die Konkurrenz mit Hilfe von "Junk Bonds" auf
- Anleihen, die zwar mit hohen Zinsen rechnen k�nnen, die aber
auch einen hohen Risikofaktor mit sich bringen. Schwarze Freitage
und schwarze Montage kosten dem Sparer und Kleinspekulanten
immense Summen zusammengesparten Kapitals und bereichern
diejenigen, die den Kurssturz "voraussahen" oder ihn herbeif�hren halfen. Ein Raubtier fri�t also hier das andere.
Die Banken
Mit den Banken sieht es nicht viel besser aus. Sie sind "seri�se" Teilnehmer an derselben B�rsenspekulation und viele von ihnen sind, um einen krassen Ausdruck zu verwenden, "drogens�chtig". Das hei�t, da� ein gro�er Teil ihres Bargeldumlaufes sich auf den Erl�s illegalen Drogenhandels und anderer dunkler Gesch�fte st�tzt. Eine wirksame Kontrolle ist bisher nicht m�glich und die Gesetze gegen den Drogenhandel, anstatt das Drogengesch�ft zu stoppen, sind erst die Voraussetzung f�r dessen Existenz. Sie sind die Garantie f�r ein de facto Monopol der Drogenh�ndler, deren weltweiter Jahresumsatz auf Hunderte Milliarden Mark gesch�tzt wird.
Die Banken sind au�erdem sozusangen die "Einzugsbevollm�chtigten" f�r den Zins, ohne den es kein Geld gibt, auch wenn der Bedarf noch so dringend, der Zweck noch so nobel sein sollte. Die L�nder der dritten Welt sind praktisch unter der Verwaltung der Banken. Sie erhalten keine Kredite und k�nnen �ber die R�ckzahlungsbedingungen ihrer Schulden nicht verhandeln, wenn sie sich nicht von vornherein mittels "Letter of Intent" also einem schriftlichen Versprechen, verpflichten, auf die Vorbedingungen der Weltbank und des internationalen W�hrungsfonds einzugehen, die oft eine Senkung des (meist schon niedrigen) Lebensstandards der Bev�lkerung, einen Verkauf der nationalen Industrien und Rohstoffe an multinationale Kapitalinteressen und eine forcierte Geburtenkontrolle beinhalten.
Der Kommunismus
Auch der Kommunismus hat nie eine wirkliche Alternative zum
kapitalistischen Zinssystem gekannt. Die L�nder des ex Ostblocks, die sich jetzt am marktwirtschaftlichen Modell des Westens orientieren, sind ebenso verschuldet, bei den gleichen
internationalen Geldgebern, zum gleichen Zinsfu�, wie die
L�nder der dritten Welt und die westlichen Industrienationen.
Marx und Engels sahen die Ausbeutung der "Massen", (die ja
letztlich nichts anderes sind als arbeitende Individuen) im Besitz der Produktionsmittel. Sie erkannten nicht, da� der Eigent�mer der Produktionsmittel ebensowenig Kapitalist ist, wie der Arbeiter, da� sie beide also dem Zinsgott opfern m�ssen.
Woher kommt der Zins?
Seit der Mensch Geld als Tauschmittel benutzt, war er immer einem
Dilemma ausgesetzt, n�mlich der doppelten Eigenschaft des Geldes, das zugleich Tauschmittel und Sparmittel ist.
Als Tauschmittel mu� das Geld umlaufen, es mu� verf�gbar sein, um den Handel der Waren und Dienstleistungen m�glich zu machen, denn der direkte Tausch - Ware gegen Ware oder Dienstleistung gegen Ware - ist zu umst�ndlich und ist in gr��eren Lebensgemeinschaften schlechthin undenkbar.
Das Geld, meist eine begehrte oder zumindest rare Substanz, mu�
aber in genau der Menge verf�gbar sein wie die Waren und
Dienstleistungen, die getauscht werden sollen. Ist mehr Geld
vorhanden, so folgt daraus eine Inflation, also ein Steigen der
Preise. Bei zu wenig Geld stockt der Absatz, die Produktion, kurz
gesagt, die Volkswirtschaft. Rezession und Krise sind die Folge.
Das Auf und Ab von Konjunktur und Krisen ist eine direkte Folge
der umlaufenden Geldmenge in Bezug auf das Angebot von Waren und Dienstleistungen.
Mit der Doppelfunktion des Geldes aber war es fast unm�glich,
die Geldmenge der Warenmenge anzugleichen, da das Sparen die
umlaufende Geldmenge verringerte und oft verheerende Folgen auf
die Wirtschaft hatte.
Um das gesparte Zahlungsmittel wenigstens teilweise wieder in
Umlauf zu locken, ergab sich fast automatisch der Gebrauch des
Zinses. Dem Sparer wurde eine Belohnung daf�r gegeben, da� er
sein erspartes Geld der Volkswirtschaft als Zahlungsmittel wieder
zur Verf�gung stellte - eben der Zins.
Schon fr�h erkannte man die damit zwangsl�ufig verbundenen
Ausw�chse und Gefahren, und es wurde versucht, diese Ausw�chse (auch Wucher genannt) unter Kontrolle zu halten. Der Zinswucher wurde unter Strafe gestellt und sowohl die christliche Kirche als auch der Islam verboten ihren Gl�ubigen, Geld gegen Zins zu verleihen. Man vers�umte jedoch, eine Trennung zwischen den beiden miteinander unvertr�glichen Funktionen des Geldes
herbeizuf�hren.
Die Rolle der Geldverleiher fiel somit den Juden zu und bis in die Gegenwart besteht eine gewisse Vorliebe der Menschen j�dischen Glaubens f�r die Aus�bung der Bankgesch�fte. Das hat nichts mit einer rassen- oder religionsbedingten Vorliebe zu tun, sondern ist eine historisch bedingte "Arbeitsteilung", eine von allen Seiten gewollte und tolerierte Verteilung der Rollen. So ist es auch kein Wunder, da� die ersten europ�ischen Gro�banken im Besitz j�discher Familien waren.
Da� ein Hitler dies als Vorwand daf�r verwenden konnte, die
Menschen j�dischen Glaubens zu verfolgen und ihnen unsagbares
Leid zuzuf�gen, spricht f�r das absolute Unverst�ndnis, mit
dem wir diesen Dingen gegen�berstehen.
Sogar heute noch wird der Zinssatz von den Zentralbanken als ein
"Regelmechanismus" f�r die Wirtschaft verwendet. Anstatt direkt
auf die umlaufende Geldmenge Einflu� zu nehmen, wird die
Wirtschaft - mit mehr als zweifelhaftem Erfolg - anhand des
Zinsfu�es "geregelt".
Ausser der offensichtlich ungerechten Verteilung des Verm�gens,
die der Zins mit sich bringt, hat der Mechanismus noch einen anderen Haken. Der Zins kann niemals weniger als 2 bis 3% betragen, denn unterhalb dieser Schwelle verliert er seine
Wirksamkeit als "Lockmittel". Er ist nicht mehr imstande, das
Geld auf den Markt zu bringen.
Die Lösung
Nach der Erkenntnis dieser Zusammenh�nge, die im �brigen schon in der ersten H�lfte dieses Jahrhunderts von Silvio Gesell aufgezeigt wurden, ist die L�sung denkbar einfach:
- Der Zins kann nicht weiter als ein Regelmechanismus f�r die Wirtschaft verwendet werden.
- Die Funktionen von Sparmittel und Tauschmittel m�ssen sauber getrennt werden.
- Die umlaufende Geldmenge mu� der verf�gbaren Warenmenge angepa�t werden, ausgerichtet auf ein Erzielen von absoluter Preisstabilit�t, also weder Inflation noch Deflation.
- Das Geld, das als Tauschmittel funktionieren soll, mu� durch geeignete Ma�nahmen zum Umlauf gezwungen werden.
Die Zinsen werden sich somit automatisch um den Nullpunkt
einpendeln. Der Geldverleih wird haupts�chlich durch eine
Risikopr�mie, nicht durch Zinsen bezahlt werden.
Die Schriften Silvio Gesells sind in Deutschland �ber die FSU
(Freisoziale Union) erh�ltlich. Gesell hat, au�er einer Geldreform, auch eine Reform des Bodenrechts vorgeschlagen, die ein wichtiger Bestandteil seiner Reformvorschl�ge ist, aber aus Platzgr�nden nicht Gegenstand dieses Artikels sein kann.
Josef Hasslberger
Rom, Italien
November 1991